Kirchenreform und neue Religiosität

Kirchenreform und neue Religiosität
Kirchenreform und neue Religiosität
 
Zunehmende Kritik an Missständen in der Kirche führte in der Mitte des 11. Jahrhunderts zu einer Reformbewegung, die so gut wie alle Länder Europas erfasste. Die Kritik richtete sich vor allem gegen die Unbildung und Verweltlichung des Klerus, der sich die Güter der Kirche aneignete, ohne seinen geistlichen Pflichten nachzukommen. Geistige Wegbereiter der Kirchenreform waren die Reformklöster, unter denen das burgundische Kloster Cluny und die vielen von Cluny aus reformierten Klöster durch streng religiöse Lebensformen, durch prächtige und feierliche Ausgestaltung der Gottesdienste, durch immer währendes Gotteslob im Gebet beispielhaft wirkten. Die umfassende Kritik am Weltklerus verdichtete sich zu zwei Schlagworten: Simonie (Ämterkauf) und Nikolaitismus (Bruch der Zölibatsvorschriften). Mit dem lothringischen Papst Leo IX. (1049-54) bestieg ein Anhänger der Kirchenreform den Stuhl Petri. Der Bischof von Rom, in dem man als Hüter der Apostelgräber schon lange eine besondere geistliche Autorität verehrt hatte, gewann mit der Kirchenreform zunehmend als einigendes juristisches Oberhaupt der lateinischen Kirche an Bedeutung. Die Verbreitung der Reformvorstellungen in der römischen Kirche schlug sich in den Vorschriften der Synoden Leos IX. und seiner Nachfolger nieder. Neben die immer wiederkehrenden Verbote von Simonie und Nikolaitismus trat bald der Kampf gegen das Eigenkirchenwesen (die Verfügung von Laien über Kirchen), in den seit Papst Gregor VII. (1073-85) auch die königliche Kirchenherrschaft über die Reichskirche einbezogen wurde. Der dadurch ausgelöste Investiturstreit band zunächst die religiösen Energien. Nach seiner Beendigung brachen sie sich umso kräftiger Bahn: Das gesteigerte Bemühen um christliche Glaubenswahrheiten und Lebensformen zeigte sich nicht nur in der überaus schnellen Verbreitung, die die strengen Orden der Zisterzienser, Prämonstratenser und Kartäuser im 12. Jahrhundert fanden, zu denen zu Beginn des 13. Jahrhunderts noch die Bettelorden der Franziskaner und Dominikaner kamen, sondern auch in dem Zulauf, den religiöse Gemeinschaften fanden, die ohne Vermittlung der Kirche in apostolischer Armut unmittelbar dem Evangelium gemäß leben und des Heils teilhaftig werden wollten und die deshalb von der Kirche als Ketzer abgelehnt und verfolgt wurden.

Universal-Lexikon. 2012.

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